Böck­ler­park am Land­wehr­ka­nal

Gewässer + Alltag + Park + Neukölln

© Valerie Schönian

Warum der Böcklerpark am Landwehrkanal Valerie Schönian ständig zu spät kommen lässt, erzählt sie hier:

 

Dieser Ort ist ein Grund, warum ich ständig zu spät bin: der Böcklerpark am Landwehrkanal. Bin ich mit Freund:innen in Neukölln verabredet, führt mich meine Fahrradroute hier am Ufer entlang.

Meine Route ist weit, ich wohne in Mitte. Aber pandemiebedingt habe ich mir das Fahrradfahren angewöhnt und dann nicht wieder abgewöhnt. Weil, ich schätze zwar das Berliner U-Bahn-Sitz-Muster, aber eine Trauerweide am Wasser ist eben eine Trauerweide am Wasser. Davon gibt es hier am Ufer des Landwehrkanals einige. Im Frühling hängen sie im Wasser rum, im Winter, etwas kahler, hängen sie schräg gebeugt darüber. Neben ihnen verläuft die Promenade, die schon so ausgebaut ist, dass man mit dem Fahrrad nicht umfällt und auch die Oma hierherbringen könnte, aber noch nicht so sehr, dass zu viele Menschen unterwegs sind. Man kann hier also: mit der Oma spazieren gehen, im Sommer auch sitzen und die Trauerweiden beobachten und, noch besser die Schwäne, Enten, Möwen, die sich hier tummeln – Möwen! In Berlin! Wer sich daran gewöhnt, hat das Fühlen verlernt (planen Sie dafür vor ihrer Verabredung besser gleich ein bisschen Zeit ein). Tagsüber sind hier auch viele andere Menschen, vor allem im Sommer. Aber auch das ist irgendwie rührend: Leuten, die unterwegs waren, dabei zuzusehen, wie sie ihr Leben anhalten, um den Schwan dabei zu erhaschen, wie er seinen Hals unter seinen Flügel verrenkt. Wer lieber allein ist, der kann nachts herkommen, gerade in den kälteren Monaten: Die Menschen sind weg, die Schwäne da, die Stadt auch, ihre Laternen an, und kurz kann man das Gefühl bekommen, sie wurde nur für einen selbst erbaut.

© Valerie Schönian
© Valerie Schönian
© Livia Valensise

Über Valerie Schönian:

Valerie Schönian wurde wenige Tage vor der Wiedervereinigung im östlichen Gardelegen geboren, wuchs in Magdeburg auf und lebt heute noch in Berlin. Als Autorin für die ZEIT schreibt sie meist über – na klar – Ostdeutschland. 2020 veröffentlichte sie ihr zweites Buch: »Ostbewusstsein – Was die Nachwende­generation über die Deutsche Einheit verrät«. Lange dachte sie, Ost und West spielten keine Rolle mehr, doch je länger die Mauer gefallen ist, desto ostdeutscher fühlt sich Valerie – auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung. In ihrem Buch beschäftigt sie sich mit der Frage des neuen Ost-Bewusstseins und was das über die deutsche Einheit aussagt. 

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